Der Neurowissenschaftler Prof. Andrew Huberman erklärt, welche Rolle die Zirbeldrüse, auch das 3. Auge genannt, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen spielt – und es ist erstaunlich.

Wenn es dunkel ist produziert die Zirbeldrüse das Hormon Melatonin, das sogenannte Schlafhormon. Das hat sicher jeder schon gehört und gelesen.

Wusstest du aber, dass Schlangen 2 Löcher im Schädel haben und Vögel sehr dünne Schädelknochen, damit Licht direkt ins Gehirn eindringen kann? So steuern sie ihren Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch die Wahrnehmung der Jahreszeit. So kam die Zirbeldrüse zu ihrem Namen „3. Auge“, denn sie ist ein lichtwahrnehmendes Organ im Gehirn.

Bei Menschen ist das anders: die Zirbeldrüse sitzt sehr tief im Gehirn (beim 4. Ventrikel) und es kann kein Licht dort hingelangen. Es ist also neurowissenschaftlich betrachtet nicht das 3. Auge, von dem bei der Meditation berichtet wird.

Jahrtausende lang wurde das von Bildern bekannte 3. Auge als Sitz des Bewusstseins betrachtet, lokalisiert ist es allerdings der Präfrontale Cortex.

Interessant, denn die Funktion dieser Region lässt sich aufzeigen, wenn sie entfernt wird nach Verletzungen oder ähnlichem: der Mensch wird reflexiv, er handelt nicht mehr mit Absicht und vorsätzlich.

Prof. Huberman erklärt, dass bei Inaktivierung des Präfrontalen Cortex bei einem Shootingspiel die Präzision stark ansteigt – der Spieler sieht den Stimulus und schießt, sieht und schießt – wie eine Maschine mit höchster Treffsicherheit. Allerdings kann er nicht mehr zwischen Feind und Freund unterscheiden. Er funktioniert mechanisch, verliert aber seinen Gerechtigkeitssinn und die Fähigkeit Situationen zu bewerten, er kann sein Verhalten nicht (oder nur eingeschränkt) steuern. Insofern macht der Sitz des Bewusstseins am wie seit Jahrtausenden bekannten Ort des 3. Auges tatsächlich Sinn.

Das Gehirngewebe selbst besitzt kein sensorischen Neuronen. Was bedeutet das? Nun – wenn du deine Hand berührst, dann spürst du das, wenn du dich auf deinen Herzschlag konzentrierst, dann spürst du diesen, wenn du nachspürst, ob du Hunger hast, dann fühlst du auch das, denn in der Haut und im Körper besitzt du sensorische, also wahrnehmende, Nervenzellen. Ebenso in den Augen, die uns Dinge von außen wahrnehmen lassen, haben wir sensorische Neuronen, aber nicht in unserem Gehirn. Deswegen werden auch Gehirnoperationen mit entferntem Schädel ohne Anästhesie durchgeführt.

Nun, welche Rolle spielt das für Meditation und Bewusstsein? Du kannst deine Aufmerksamkeit überall hinrichten, auf die Wahrnehmung von außen (Exterozeption) oder auch nach innen (Interozeption) und auf die Haut, aber sobald du deine Konzentration auf die Stelle einige Zentimeter hinter deiner Stirn richtest und die Aufmerksamkeit von der äußeren Welt abziehst, die Augen dabei schließt, dann richtest du deine Aufmerksamkeit auf einen Ort in dir, an dem es keine sensorische Wahrnehmung gibt, es gibt dort nichts zu fühlen. Was dann geschieht, ist ein Aufwallen von Gedanken, Erinnerungen und Emotionen, die sich dann stattdessen ihren Raum nehmen in unserer Wahrnehmung.

Prof. Huberman erläutert das folgendermaßen: Wenn du auf einem Stuhl sitzt, dann achtest du normalerweise nicht auf den Kontakt zwischen dir und dem Stuhl, trotzdem feuern die Neuronen. Wenn du aber die Aufmerksamkeit gezielt dort hinrichtest und auf diese Stelle fokussierst, dann feuern sie zwar noch gleich, aber du nimmst es viel stärker wahr.

Jeder von uns denkt ständig und permanent und erinnert sich an alles Mögliche, aber wenn man seine Aufmerksamkeit auf ein Organ ohne sensitive Wahrnehmung richtet, das Gehirn, dann beginnen Gedanken, Emotionen und Erinnerungen in der Wahrnehmung zu wachsen.

Das ist gemeint mit der Beschreibung der Meditationstechnik, die Gedanken einfach zu beobachten. Sie kommen in Wellen und es sind dann so viele, dass es schwierig ist sie zu beobachten und ziehen zu lassen. Die Gedanken, Erinnerungen und Emotionen wirken ungeordnet und chaotisch, denn sie werden nicht „abgelenkt“ durch das gewohnte Spüren, das wir durch unsere externen und internen Sinneswahrnehmungen gewohnt sind. Sie sind aufdringlich und wirken zufällig.

Einfacher ist es, die Gedanken abzuschalten oder zu reduzieren, indem man sich auf externe oder interne Reize konzentriert wie die Haut, Geräusche, eine Kerze etc.

Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass die Wahrnehmung nach innen, wie die meisten Menschen sie bevorzugt praktizieren, Freude und Glücklichsein begünstigt – nun weiß man allerdings auch, dass das Gegenteil auch wahr ist, denn auch die bewusste Fokussierung auf das Umfeld und den sensorischen Input begünstigt Glücksgefühle.